Vier Konsequenzen für die Werbepraxis - mit Beispielen. Diese ganzheitlichen Entwurfsprinzipien haben in der Werbe-Praxis zahlreiche Konsequenzen. Einige Beispiele demonstrieren das: A. In dem Bemühen, alle nur denkbaren Vorzüge eines Produktes darzustellen, quellen manche Werbemittel über vor Informationen und Versprechen. Die Vermutung liegt nahe, dass die Umworbenen alle diese Einzelbotschaften gar nicht behalten können. Eine der bekannten Werbe-Regeln für TV-Spots begegnet diesem Problem mit der generellen Empfehlung: „Sei maßvoll in der Sprache, im Ton und im Schnitt!“ Diese Empfehlung mag im Einzelfall richtig sein. Generell gilt sie nicht. Generell gilt vielmehr die Gesetzmäßigkeit, dass es eine zentrale Idee geben muss, der sich alle Teilinhalte einer Botschaft schlüssig unterordnen. Nach dieser Gesetzmäßigkeit kann ein „wilder“ TV-Spot für heiße Top-Pop CDs genauso memorierbar sein wie die maßvoll zurückhaltende Werbung von Herrn Darboven für seinen Idee-Kaffee oder von Marie Luise Haase für Dr.-Oetker-Produkte. B. Eine ganzheitliche Aussage von hoher Gestaltfestigkeit kann nur bei gleichem Bedeutungsgehalt von Wort, Bild und ggf. Ton erreicht werden, d. h. der verbale, visuelle und akustische Teil einer Werbe-Botschaft muss immer schlüssig aufeinander abgestimmt sein. Diese Gesetzmäßigkeit steht nur dann nicht zur Debatte, wenn Text, Bild oder Ton allein eine alles überragende, in sich selbst schlüssige „Gestalt“ profilieren können. Die Anzeigen mit den zigaretterauchenden Cowboys in Marlboro Country sind Beispiele dafür, dass der Text als Gestalt-Faktor den Gesamteindruck der Werbe-Botschaft kaum berührt. Die Frage, ob eine Zigarette nach ,,Freiheit und Abenteuer” schmecken kann, stellte sich in der Anzeigen- und Plakat-Werbung gar nicht. Die korrigierte Fassung „Come to where the flavor ins – Come to Marlboro Country“ war schon wesentlich schlüssiger und deshalb plausibler. C. Die Collage- und Multipicture-Technik widerspricht ihrer Natur nach der Forderung nach einer möglichst klaren Figur-Grund-Differenzierung. Eine Vielfalt von optischen Teilgebilden führt zu tendenziell geringer Schlüssigkeit in der Gestaltung. Es hängt dann im wesentlichen von den nur schwer kalkulierbaren, verbraucher-individuellen Empfindungen ab, ob diese unscharf konturierten Teilgebilde bei den Betrachtern im Sinne der Werbeziele vervollkommnet bzw. interpretiert werden. D. Die Eigenarten der einzelnen Werbe-Medien sind untrennbar und automatisch auch Bestandteile ganzheitlicher Werbe-Gestaltung. Vom Medium TV, dessen Botschaft sukzessiv im Zeitablauf „Gestalt“ gewinnt, gehen andere Einflüsse aus als z. B. vom Medium Großflächen-Plakat, dessen Botschaft simultan mit einem Blick erfasst wird. Wie schwierig es ist, derartige Einflüsse so zu berücksichtigen, dass in allen Medien die gleiche zentrale Werbe-Botschaft übermittelt wird, zeigte die Comic-Strip-Serie mit dem berühmten HB-Männchen, die trotz des gleichen faktischen Werbeinhaltes in Form einer Illustrierten-Anzeige einen wesentlich anderen Eindruck auslöste als in Form der TV-Spots. Eine Illustrierte hat speziell in Verbindung mit Comic-Strip-Geschichten so stark ausgeprägte Eigenarten, dass allein diese Faktoren die ganzheitliche Wahrnehmung der HB-Botschaft wesentlich verändern können. Nutzen Sie Schlüssigkeit als Orientierungshilfe. Die Problematik schlüssiger Werbung sollte hier nicht erschöpfend untersucht werden. Als Resümee lässt sich aber generell feststellen, dass der Begriff ,,Schlüssigkeit” geeignet ist, eine Vielzahl von Einsichten aus der modernen Werbe-Psychologie in praktische Konsequenzen für die Werbe-Gestaltung umzusetzen. Ob einzelne Gestaltungsprobleme jeweils schlüssig gelöst worden sind oder nicht, das lässt sich ziemlich eindeutig und objektiv nachweisen. In welchem Maße die Umworbenen innerlich bewegt und motiviert werden, hängt auch von unserem Gefühl für die irrationale Wirkung der Werbung ab. Das Kriterium der Schlüssigkeit ist eine entscheidende Orientierungshilfe, um dieses Gefühl zu trainieren und zu verfeinern. |