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Dieser Aufsatz wurde im Marketing Journal 3/1977 veröffentlicht.
Geht es um die Beurteilung von Werbung, wird nicht selten die Aufmerksamkeitswirkung an erster Stelle genannt. Sie ist jedoch nur ein relativ oberflächliches Beurteilungskriterium. Kriterien wie Nutzenvorteil, Glaubwürdigkeit, Gestaltungsprofil und Motivationsstärke sind wesentlich wichtigere, weil ursächlichere Aspekte des Werbe-Erfolgs. Denn: eine Werbung wird nicht in einzelnen Etappen wahrgenommen, sondern als ganzheitliches Phänomen. Dr. Franz Brück, Beratung für Werbung und Marketing, Düsseldorf, meint: ,,Nur wenn die Werbung nach den Prinzipien ganzheitlicher Wahrnehmung gestaltet wird, kann sie eine optimale Wirkung erreichen.”

Erfolgreicher werben – schlüssiger werben.


Unsere praktischen Erfahrungen mit Beeinflussungsversuchen werden geprägt durch das Hin und Her eines persönlich geführten Dialogs. Medien-Werbung unterliegt völlig anderen Rahmenbedingungen. Sie muss einseitig eine anonyme Gruppe von Menschen mit Hilfe eines Monologs von einer Botschaft überzeugen.

Um diese von unseren alltäglichen, praktischen Erfahrungen abweichende Ausgangssituation richtig bewerten zu können, müssen Erkenntnisse der Psychologie berücksichtigt werden, die beweisen, dass Informationen immer ganzheitlich wahrgenommen werden.

Der Umworbene sieht immer das Ganze.

Das wahrgenommene, „Ganze“ unterscheidet sich von der Summe seiner „Teile“. Ein Beispiel: Ein Werbeaufkleber für die FDP verkündet auf der Heckscheibe eines Luxus-Autos eine andere Botschaft als auf einem Kleinwagen. Werbe-Botschaften werden registriert, gleichzeitig aber auch interpretiert.

Zwischen den Reizen des Senders und den Empfindungen des Empfängers bestehen also keine eindeutigen Beziehungen. Vielmehr vollzieht sich die Wahrnehmung auf der Grundlage ganz individueller Einstellungen und Erwartungen, die den Aussagewert der Werbung dementsprechend auch unterschiedlich stark beeinflussen. Objektiv wichtige Informationen einer Anzeige können unbeachtet bleiben. Umgekehrt werden häufig Botschaften wahrgenommen, die konkret gar nicht vorhanden sind. Jeder Recall-Test, bei dem die Umworbenen aufgefordert werden, sich an die Botschaft einer bestimmten Werbung zu erinnern, liefert anschauliche Beispiele für diesen oft enormen Informationsverlust und für die vielfach nicht erklärbaren Umformungen einer Werbe-Botschaft.

Diese Anerkennung einer ganzheitlichen Auffassung der Wahrnehmung hat ganz konkrete Konsequenzen für die Gestaltung der Werbung. Die so genannte Holzhammer-Werbung mit ihren sich selbst entlarvenden, protzigen Superlativen oder die stereotyp-glücklich lächelnden Werbe-Pärchen müssen zum Beispiel in Frage gestellt werden. Auch subtiler angelegte Werbung kann dem Phänomen ganzheitlicher Wahrnehmung häufig nicht gerecht werden. Dies trifft z. B. immer dann zu, wenn Werbung Aufmerksamkeit quasimechanisch erzwingen will; bei TV-Spots etwa dadurch, dass ohne produkt-typischen Bezug zunächst lediglich Spannung erzeugt wird. Eine optimale Wirkung kann auf diese Weise nicht erreicht werden, weil die Prinzipien ganzheitlicher Wahrnehmung ignoriert werden.