1. Werbung für neu einzuführende Marken darf nicht mit Werbung für eingeführte Marken verglichen werden. Spektakuläre Erfolge im Zigarettenmarkt lassen sich zwar, vordergründig betrachtet, eindeutig und in erster Linie tatsächlich auf erfolgreiche Werbekampagnen zurückführen. Vom HB-Männchen über die Camel-Meilenweit-Story bis hin zum Marlboro-Cowboy. Aber: Zugkraft und Ausstrahlung der Werbung setzten erst zu einem Zeitpunkt ein, als die Marken selbst schon längst mit Hilfe ihrer Markenidee und ihres Produktvorteils die Bewährungsprobe beim Verbraucher bestanden hatten.

2. Die Segmente des Marktes dürfen nicht mechanistisch begriffen werden. Letztlich kommt es viel mehr auf die Persönlichkeit jeder einzelnen Marke an. Die großen Erfolge von Camel-Filters und Marlboro kann man zum Beispiel nicht, wie es die Zigarettenindustrie tut, allein mit dem Trend der Raucher zur starken Zigarette begründen. Angesichts der blutleeren 08/15-Konzeptionen im Leichtmarkensegment (Preisfrage: Welche Marke bildet die schönsten Raucher ab?) ist es wahrscheinlicher, daß Camel-Filters und Marlboro besonders deshalb besser im Trend liegen, weil sie mittlerweile die einzigen Marken sind mit attraktiver Markenpersönlichkeit und mit charismatischer Ausstrahlung. Im Grunde liegt deshalb gerade im Leichtmarkt die viel größere Chance. In diesem Segment könnte heute schon ein Einäugiger König werden. Die Tatsache, dass selbst Marlboro und Camel-Filters die Nikotinhöchstwerte für nikotinarme Zigaretten nicht überschreiten und de facto also Leichtmarken sind, mag dieser These zusätzliches Gewicht verleihen. Es ist im übrigen müßig, über Marktsegmente zu diskutieren, wenn man keine neuen Markenideen hat.

3. Die Zigarettenmanager müssen sich wieder stärker bewußt werden, daß eine so höchst persönliche Ware wie eine Zigarette nicht von Technokraten und Werbemanagern gemacht werden kann. Eine Markenidee aus einem Guß mit einzigartigem Produktvorteil und einzigartigem Charisma kann weder von Leuten verwirklicht werden, die auf all die vielen sachfremden Zwänge Rücksicht nehmen müssen, die in der vielgliedrigen Hierarchie des Konzernmanagements und des

Agenturmanagements unvermeidbar sind, noch von kreativen Solisten, die immer nur »Mittel zum Zweck« sind (Domizlaff). Was fehlt, ist der Markenregisseur, der in einer Person unterschiedliche Spitzenbegabungen vereinigt: rücksichtslose Konzentration allein auf die Sache, höchste Sensibilität für kreative Gestaltung und illusionslose Nüchternheit in der Markentechnik.

 

Hans Domizlaff und Philipp Reemtsma würden ...

Zum Trost für ihre deutschen Kollegen könnten Hans Domizlaff und Philipp Reemtsma darauf hinweisen, daß die viel gerühmten Erfolge von Camel und Marlboro weniger auf solche Einsichten in das Zigarettenmarketing zurückzuführen sind als vielmehr auf die Gunst übergeordneter, internationaler Managemententscheidungen.

Camel-Filters wurde vor allem deshalb eingeführt, weil die Amerikaner mit ihrer Tochter Haus Neuerburg nach den Misserfolgen von Winston und Reyno einen weiteren Versuch machen wollten. Camel bot als drittgrößte Reynolds-Marke die naheliegendste Möglichkeit. Ihre Mitgift waren ein vertrautes, sehr zeitgerechtes Image und der zu diesem Image passende Produktvorteil, 1968 die einzige starke Filterzigarette Deutschlands zu sein.

Marlboro stellte seine Werbung deshalb auf die überaus erfolgreiche Cowboy-Romantik um, weil sich Marlboro-Werbung und –Vertrieb unter BAT-Regie längst nicht mehr mit dem internationalen Verständnis von Philip Morris vereinbaren ließen. Philip Morris gründete also eine eigene Deutschland-Niederlassung, tat das Naheliegendste, indem die international erfolgreiche Cowboy-Kampagne auch in Deutschland eingesetzt wurde.

So »zufällig« kann erfolgreiches Zigarettenmarketing auch sein.